zum Inhalt

Juristin in der Ministerialverwaltung: „Ich habe vor Freude gelacht“

Anne-Kathrin Lange (38) arbeitet als Juristin im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und prüft Gesetzestexte auf ihre Konformität mit den Grundrechten. Für diese Tätigkeit gab sie eine besser bezahlte Anstellung in der freien Wirtschaft auf – weil sie eine sinnstiftendere Tätigkeit ausüben wollte.

Foto von Gesetzbüchern

Als Anne-Kathrin Lange die Stellenausschreibung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) sah, hatte sie objektiv keinen Grund, sich darauf zu bewerben: Nach Prädikatsexamen und Promotion arbeitete die Juristin für eine in Berlin ansässige internationale Großkanzlei im Bereich des Immobilienrechts und verdiente deutlich mehr, als sie im öffentlichen Dienst erwarten konnte. „Es war für mich jedoch keine sinnstiftende Tätigkeit“, sagt die 38-Jährige. „Wenn man abends um elf noch den 28. Mietvertrag prüft oder einen Kaufvertrag aufsetzt, dann fragt man sich, ob man das so oder so ähnlich wirklich ewig machen will.“

Schon während ihres Referendariats hatte sie eine Zeitlang in der Ministerialverwaltung gearbeitet, zum einen im Grundsatzreferat der Verfassungsabteilung des BMI und zum anderen in der Deutschen Botschaft in Bangladesch. Die Möglichkeit, dauerhaft bei der Behörde unterzukommen, hatte sie längst in Betracht gezogen und auf eine solche Ausschreibung gewartet. Als sie knapp sechs Wochen nach ihrer Bewerbung telefonisch zum Assessment-Center eingeladen wurde, arbeitete sie gerade bei einem Mandanten: „Ich bin rausgelaufen und bin, als ich ans Telefon gehen wollte, gestolpert und hingefallen, habe aber vor Freude gelacht“, erinnert sie sich. „Das war in einem gläsernen Innenhof und ich bin mir sicher, dass das einige Leute aus den umliegenden Büros gesehen haben.“

Auswahlverfahren mit Diskussion und Rollenspiel

Foto von Anne-Kathrin Lange Foto von Anne-Kathrin Lange

Anne-Kathrin Lange

Das Assessment begann morgens mit einer Gruppendiskussion über ein Thema, zu dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Konsens finden mussten, und ging weiter mit einem Rollenspiel, bei dem es galt, ein Mitarbeitergespräch zu führen. Es folgten noch schriftliche Aufgaben. „Mittags erfuhren schon die ersten, dass sie ausgeschieden waren“, berichtet Anne-Kathrin Lange, die nach einem anschließenden persönlichen Gespräch zunächst auf eine Liste geeigneter Kandidatinnen und Kandidaten kam und nach Abschluss der Auswahlverfahren zeitnah die Zusage bekam, dass sie als Beamtin im BMI eingestellt würde.

Die Arbeit und die Bandbreite der Themengebiete im BMI beschreibt sie als sehr vielseitig. Die 14 Abteilungen des Innenressorts umfassen so unterschiedliche Politikfelder wie die Öffentliche Sicherheit, Migration, Digitale Gesellschaft, aber auch Stadtentwicklung oder Sport, und, nicht zu vergessen Heimat. Denn auch in einem so klassischen Ressort der Bundesregierung gibt es immer wieder neue Arbeitsfelder. Als sie im Sommer 2016 im BMI anfing, setzte man sie zunächst im Planungsstab ein. „Dort war ich ganz nah am politischen Tagesgeschehen dran und hatte sehr oft direkt mit der Leitungsebene zu tun.“ So wohnte sie beispielsweise täglich der Presserunde bei und begleitete den damaligen Innenminister Thomas de Maizière, wenn dieser eine Rede bei einem Termin hielt, den sie vorbereitet hatte und für die sie den Entwurf geschrieben hatte.

Mit dem Schreiben einer Rede, die der Minister bei einer Preisverleihung halten sollte, wurde sie auch kurz nach ihrer Einstellung ins kalte Wasser geworfen. „Hier ist aber alles so strukturiert, dass in der Hierarchie noch viele andere Leute draufschauen beziehungsweise Vorlagen freigeben müssen, bei Reden aber beispielsweise auch die professionelle Schreiber“, erklärt sie. Grundsätzlich sieht die Struktur so aus, dass etwa der Referatsleiter dem Unterabteilungsleiter berichtet, dieser dem Abteilungsleiter, dieser dem Staatssekretär und dieser wiederum erst dem Minister.

Ihre Aufgabe: Gesetzestexte prüfen

Mittlerweile arbeitet sie im Referat V I 3 für Grundrechte und Verfassungsstreitigkeiten – in der Abteilung für Staatsrecht, Verfassungs- und Verwaltungsrecht des BMI. Um zu erklären, was sie dort macht, muss man wissen, welchen Weg die Gesetze und Verordnungen auf dem Weg zur Verabschiedung nehmen: Die Erstfassung eines Regierungs- beziehungsweise sogenannten Referentenentwurfs wird zunächst allen Ressorts der Regierung vorgelegt. Jedes Ministerium prüft den Text dann im Hinblick auf seinen jeweiligen Zuständigkeitsbereich. Anne-Kathrin Lange erklärt: „Wir im Innenministerium schauen beispielsweise unter anderem, ob das Gesetz mit den Grundrechten vereinbar ist.“ Außerdem begleitet sie in ihrer jetzigen Verwendung, wie es in der Sprache des Ministeriums heißt, die Gerichtsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, an denen die Bundesregierung beteiligt ist. Nicht selten fallen so Dienstreisen nach Karlsruhe an.

Reden können auch jetzt noch auf ihrem Schreibtisch landen, zumindest dann, wenn es primär um Grundrechte geht – beispielsweise um Staatskirchenrecht, da Religionsfreiheit schließlich ein Grundrecht ist.

Sie kommt nicht aus einer Juristenfamilie. „Ich fand öffentliches Recht und die vielfältigen Betätigungsfelder nach Abschluss der Juristenausbildung aber schon immer spannend“, verrät sie. Ihr Studium absolvierte sie von 2001 bis 2009 in Passau, Bonn und am King’s College in London, ihre Dissertation zum Thema „Islamische Theologie an staatlichen Hochschulen in Deutschland“ schrieb sie von 2009 bis 2012 in Bonn, wo sie 2014 promoviert wurde. Schließlich arbeitete sie nur knapp drei Jahre in der freien Wirtschaft, bevor sie zum BMI wechselte und verbeamtet wurde.

Die Arbeit macht ihr Spaß

Die Entwicklungsmöglichkeiten als Referentin in einem Ministerium sind einerseits klar vorgegeben, es gibt ein ausgeklügeltes Personalentwicklungskonzept, das von der Aus- und Fortbildung bis zu den vorgeschriebenen Wechseln innerhalb der Abteilungen des Ministeriums vieles regelt, andererseits bleibt viel Spielraum für die Entwicklung und Förderung eigener Kompetenzen und Neigungen.

Der klassische Karriereweg vom Referenten beziehungsweise von der Referentin zum/zur Referatsleiter/in und womöglich zum/zur Unterabteilungs- oder Abteilungsleiter/in ist dabei nicht zwingend vorgezeichnet und das ist auch gut so. Es gibt diverse Karrierewege, die neben dem Verbleiben im Innenministerium gleichwertig und den persönlichen Neigungen entsprechend möglich sind. „Ich könnte zum Beispiel irgendwann auch als Verbindungsbeamtin in ein Innenministerium im Ausland, an die Ständige Vertretung bei der EU gehen oder zu einer der zahlreichen nachgeordneten Behörden wechseln.“

Welchen Weg ihre Karriere genau einschlagen wird, weiß Anne-Kathrin Lange noch nicht. Für den Moment ist sie sehr zufrieden: „Meine Erwartungen an diese Stelle wurden erfüllt, die Arbeit macht Spaß und auch die Work-Life-Balance ist super. Man nimmt Rücksicht auf persönliche Belange, dafür hängt man sich als Mitarbeiter an anderer Stelle wieder mehr rein.“